Besuch bei Sesoula

Foto: Giovanni Lo Curto Sesoula „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen,

Sesoula „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen.
Foto: Giovanni Lo Curto

Dienstag, 22. September 2015, Athen

Wir gehen im strömenden Regen zu Sesoula (übersetzt „kleine Schüppe“), einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen, die eine Direktvermarktung von Produkten unter Umgehung des Zwischenhandels versuchen. Tonia und Jorgos empfangen uns in einem kleinen Ladengeschäft, das an die Anfänge von Bioläden in Deutschland erinnert. Vor der Tür einige wenige Kisten mit Paprika, Zwiebeln und anderem schon etwas welkem Gemüse, drinnen ein Sortiment an Reinigungsmitteln, Kosmetika, Süßigkeiten, Öl, Kaffee, Reis, Brot und einigen Milchprodukten. Die Preise sind stattlich hoch und entsprechen mindestens denjenigen in deutschen Biolaeden. Obst und Gemüse wird offenbar vor allem in größeren Gebinden abgegeben, ähnlich unseren „Abo-Gemüsekisten“ in Food-Koops.

Die beiden berichten:

Sie haben den Laden vor zwei Jahren mit einem Startkapital von 3.000 Euro geöffnet, damals waren sie 15 Leute, heute besteht das Kollektiv noch aus 7 Personen, die kontinuierlich mitarbeiten. Sie arbeiten ohne Lohn, sind Studenten, Rentner bzw. kommen zusätzlich zu ihren regulären Arbeitsverhältnissen stundenweise zur Mitarbeit. Ein Mitglied ist arbeitslos, für ihn streben sie in der nächsten Zeit eine reguläre Festeinstellung zur Sicherung des Lebensunterhalts an. Um dies zu ermöglichen, müsste jedoch der Umsatz um 50% gesteigert werden.

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Überschüsse, die das Projekt erwirtschaftet, fließen an die Produzenten zurück und gehen in geringem Umfang übergangsweise auch an den arbeitslosen Kollegen.

2011 wurden erstmals die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Kleinst-Kooperativen geschaffen, indem die PASOK-Regierung sie von der Sozialversicherungspflicht befreite und bestimmte Steuererleichterungen einführte. Im Zusammenhang mit den letzten Memoranden der Troika wurden diese Steuerprivilegien aber wieder abgeschafft, sie müssen derzeit Steuern zahlen wie andere Betriebe auch. Die Kooperativen kämpfen für die Wiedereinführung von Steuererleichterungen und für die Befreiung von Auflagen, wie sie für Großbetriebe gelten.

Sesoula  „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen. Foto: Giovanni Lo Curto

Sesoula „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen.
Foto: Giovanni Lo Curto

Als ihr Ziel geben Tonia und Jorgos an, gute Produkte zu guten Preisen, d.h. um 50% günstiger als zu dieser Qualität im normalen Supermarkt, anzubieten. Dafür kooperieren sie v.a. mit landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben und kleinen Werkstätten. Die Produzenten sind ihnen persönlich bekannt, so dass sie die Qualität der Produkte und ihrer Herstellungsweise beurteilen und beeinflussen können. Durch die Vernetzung mit den 11 übrigen Athener Kooperativen können für beide Seiten faire Preise ausgehandelt werden, die an die Konsumenten weitergegeben werden. Die Produkte werden nicht in Kommission genommen, sondern vom Projekt gekauft, das Risiko des Weiterverkaufs liegt bei ihnen selbst.

Neben der persönlichen Beziehung zu den Produzenten ist ihnen auch der Kontakt zu den Konsumenten wichtig, deshalb veranstalten sie z.B. Versammlungen, bei denen über die Projektidee informiert wird und durch die sie versuchen, ein bewussteres und nachhaltigeres Konsumentenbewusstsein zu schaffen, jenseits von Brands und Labelings. Im letzten Jahr konnte erreicht werden, dass 5.000 Tonnen Lebensmittel statt im Müll zu landen an Bedürftige verteilt werden.

Ziel des Projekts ist es, v.a. griechische Produkte zu unterstützen und zu vermarkten, nicht, weil sie gegen internationalen Handel seien, sondern vor dem Hintergrund, dass in den letzten 30 Jahren die griechische Agrarwirtschaft systematisch zerstört wurde, verstärkt in den letzten 6 Jahren.

Sesoula „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen. Foto: Giovanni Lo Curto

Sesoula „kleine Schüppe“, einem von insgesamt 12 Lebensmittel-Kooperativen in Athen.
Foto: Giovanni Lo Curto

1975-85 (vor Eintritt in die damalige EG) seien die Lebensmittel in den Supermärkten noch zu 85% aus einheimischer Produktion gekommen, heute sei das Verhältnis umgekehrt und über 80% der Lebensmittel würden importiert, eine Subsistenz durch einheimische Agrarwirtschaft sei somit unmöglich geworden. Weil bei unserem Treffen mit einem Vertreter von „Solidarity for all“ als aktueller politischer Fokus ebenfalls die Stärkung der materiellen Produktion in Griechenland genannt wurde fragen wir nach der politischen Verbindung. Sie arbeiten im Netzwerk mit, geben u.a. auch einen Teil ihrer Produkte an die Initiativen, die z.B. vor Lebensmittelmärkten Essensspenden für Bedürftige sammeln. Im Laden steht ein Korb, in den Kunden einen Teil ihres Einkaufs fuer diesen Zweck abgeben können.

Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften gibt es in Griechenland nicht, Tonia und Jorgos wissen lediglich von langjährigen Kooperativen auf der Peleponnes, die aber „bürokratisiert“ seien. Hier werden deren Mitglieder aber offenbar nicht nur bei der Distribution ihrer Produkte, sondern auch in der Produktion unterstützt, indem z.B. durch die Vergabe günstiger Kredite durch eine eigene Kasse Unabhängigkeit von den Banken ermöglicht wird.

Tonia berichtet von Versuchen der PASOK im Jahr 2010-11, die Agrarwirtschaft zu stärken, indem sie Arbeitslosen 10 Ha Land zur Bearbeitung zur Verfügung stellten. Dies sei aber aufgrund mangelnder Schulung und finanzieller Unterstützung nicht erfolgreich gewesen. In der Landwirtschaft seien zudem migrantische SaisonarbeiterInnen – v.a. aus Bangladesch und Somalia – billiger.

Uns wird deutlich, dass die Idee von „Markt ohne Zwischenhandel“ noch in den allerersten Anfängen steckt, kaum institutionalisiert ist sondern derzeit v.a. auf persönlichen Beziehungen beruht. Sie ist in der Bevölkerung nicht sehr bekannt und weit davon entfernt, die materiellen Grundbedürfnisse größerer Bevölkerungsteile abdecken zu können. Die Stadtflucht ist auch in Griechenland schon vor längerer Zeit erfolgt, eine umgekehrte Bewegung ist derzeit nicht zu erwarten. Erst in diesem Sommer ist ein großer Teil der Kirschenernte in Griechenland mangels „human ressources“ verkommen.

Zur Unterstützung des Aufbaus übergaben wir eine Spende von 500€.

Das Rainbow-House

21. September 2015, Athen

Das Rainbow House war Treffpunkt und Versammlungsort verschiedener Lesben- und Schwulengruppen sowie friedenspolitischer Gruppen. Transgender-Gruppen haben andere eigene Räume. Das „Haus“ waren zwei gemietete Räume, die vor zwei Jahren wegen Geldmangel aufgegeben werden mussten. Jetzt finden Treffen an unterschiedlichen Orten statt, in sozialen Zentren, in Kneipen oder Clubs, was für viele zu teuer ist, weil dort konsumiert werden muss, im Freien in Parks oder in zu kleinen privaten Räumlichkeiten. Der Wunsch, wieder einen eigenen Ort zu haben, ist groß.

SYRIZA hatte vor der Wahl im Januar 2015 versprochen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu legalisieren – zur Zeit wird von vier Paaren vor Gericht darüber mit der Staatsanwaltschaft gestritten – und die Änderung von Name und Geschlecht in den Ausweispapieren von Transgender-Personen zu ermöglichen. Dies wurde dann auch im Justizministerium vorbereitet. Viele sind enttäuscht, dass diese Gesetze vermutlich auch als Zugeständnis an die mitregierende rechte ANEL-Partei nicht ins Parlament eingebracht wurden. PASOK und TO POTAMI wollten mit SYRIZA dafür stimmen. Die parlamentarische Mehrheit war (und ist) also gegeben.

Die AktivistInnen aus dem Rainbow-House zählen sich zur Linken, zum Teil zur radikalen Linken, sind aber parteipolitisch nicht gebunden. Dass das NEIN des Referendums in ein JA zum dritten Memorandum verkehrt wurde, hat auch hier politische Hoffnungen zerstört.

Das Verhältnis unserer GesprächspartnerInnen zur EU ist ambivalent, denn „jeder Fortschritt in Sachen Menschenrechte oder auch Ökologie kommt aus Brüssel. Die griechischen Parteien, auch die linken, betrachten das als nicht so wichtig.“

Die zunehmend schwierige ökonomische Situation vieler führt auch dazu, dass ein immer größerer Teil der Energie darauf verwendet werden muss, das tägliche Leben zu organisieren. Es entstehen Tauschringe und Zeitbanken, wo nicht nur Dinge, sondern auch Fertigkeiten und Arbeitszeit ausgetauscht oder auch umsonst abgegeben werden.

Die politische Arbeit dreht sich um Gleichstellung (Homo-Ehe, Adoptionsrecht…), Antidiskriminierung, Organisieren der Pride-Paraden (dieses Jahr gab es erstmals drei: in Athen, Thessaloniki und Kreta), aber auch um die Zusammenarbeit mit migrantischen und Flüchtlingsgruppen und das Zusammenführen der Kämpfe gegen Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie.

Unsere Treffen mit drei AktivistInnen des derzeit obdachlosen Rainbow-Houses waren sehr offen und sehr herzlich.

Danke!

Beate und Regine

Montag, 21. September 2015, Exarchia

Gespräch mit Christos und Georgia von Solidarity 4 All über Perspektiven der Solidaritätsbewegung nach dem 3. Memorandum und nach den Wahlen

Foto: Giovanni Lo Curto Gespräch mit Christos und Georgia von Solidarity 4 All über Perspektiven der Solidaritätsbewegung nach dem 3. Memorandum und nach den Wahlen

Foto: Giovanni Lo Curto
Gespräch mit Christos und Georgia von Solidarity 4 All über Perspektiven der Solidaritätsbewegung nach dem 3. Memorandum und nach den Wahlen

Die erste gemeinsame Veranstaltung, die wir als ganze Gruppe in Athen haben, ist das Treffen mit Solidarity4All. Hier erwarten wir neben Informationen, wie sich die Bewegung der Selbstorganisation weiterentwickelt hat, eine Einschätzung, was das dritte Memorandum, die Veränderung der Politik von Syriza und die Wahlen für die soziale Bewegung bedeuten. Wir treffen Christos und Georgia in unserem Frühstücksraum. Ein Platzregen und Gewitter hat uns von unserem schönen Versammlungsort auf der Dachterrasse vertrieben.

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Die Solidaritätsbewegung in Griechenland hat sich 2011 als ein Ergebnis der Platzbesetzungen entwickelt. Nach den heftigen Protesten gegen die unmenschlichen Sparprogramme haben die Menschen zur Selbsthilfe gegriffen und selbstorganisierte Projekt gestartet. In dem Buch „Demokratie im Aufbau von Christos Giovanopoulosist der Prozess ausführlich beschrieben.

Aufgrund der massiven Einschnitte und der hohen Arbeitslosigkeit sank die Kaufkraft. So entstanden die ersten Initiativen im Bereich der Lebensmittelversorgung ohne Zwischenhandel. Die sogenannte Kartoffelbewegung, bei der die Bauern ihr Produkte auf den Straßen Athens direkt an die Verbraucher verkauften. Auf dem Land gründeten Aussteiger landwirtschaftliche Projekte. Selbstorganisierte Solidarische Gesundheitsstationen wurden gegründet. Auch im Bereich der gekürzten Bildungsetats wurde Selbsthilfe organisiert. Sehr viele Schüler (auch in den Privatschulen) brauchen Nachhilfe. Arbeitslose Lehrer organisieren Angebote.

Es waren keine vereinzelten Projekte. Es war eine Bewegung.

Die Entscheidungen werden in Vollversammlungen getroffen, wie bei den Platzbesetzungen. Diese Bewegung wird als eine Erweiterung des Kampfes gesehen. Andererseits lässt es sich schlecht kämpfen, wenn die Versorgung mit dem Nötigsten nicht gesichert ist.

Einen politischen Niederschlag fand die Widerstandsbewegung in der Entwicklung von Syriza von einer kleinen 4-Prozent-Partei zu einer starken Oppositionskraft, die im Parlament 27 Prozent der Wählerstimmen hatte. Syriza beschloss die entstehenden solidarischen Netzwerke mit 10 Prozent ihrer Abgeordneten-Diäten zu unterstützen.

Seither hat jede Gruppe, die das in Anspruch nehmen möchte, Zugang zu diesen Ressourcen. Anfang 2013 wurde Solidarity4All gegründet zur Unterstützung einer freiwilligen Vernetzung dieser Bewegung. Im Internet können die Orte in Griechenland angezeigt werden, wo man solidarische Initiativen finden kann. Seither hat sich die Anzahl der Projekte mehr als verdoppelt.
Dabei ist S4A keine Dachorganisation und auch kein Netzwerk, sondern bietet Hilfestellung für alle, die sie in Anspruch nehmen wollen.

Mittlerweile gibt es über 400 solcher Initiativen in Griechenland. Jeder Bereich: Bildung, Lebensmittel oder Gesundheit, hat seine eigene Vernetzungsstruktur.

Nach den neuen politischen Entwicklungen mit der Unterschrift Syrizas unter das dritte Memorandum ist abzusehen, dass die Not und die Notwendigkeit gegenseitiger Unterstützung noch größer wird. Das bedeutet, dass die Solibewegung und der Widerstand gegen die Memoranden stärker werden müssen. Neue Strukturen müssen aufgebaut werden, die unabhängig von den politischen Parteien sind.

Georgia war auch beim SOLIKON 2015, dem Kongress solidarische Ökonomie in Berlin und hat dort Workshops zur aktuellen Situation in Griechenland durchgeführt.

Sie rückte die Notwendigkeit der Entwicklung des produktiven Sektors in den Vordergrund. Nicht nur soziale Zentren und kollektiv betriebene Cafés in den Städten müssen aufgebaut werden, sondern auch bei der Erzeugung der Lebensmittel in der Landwirtschaft und in anderen Bereichen der Herstellung von Produkten sollen Initiativen ergriffen werden. Die solidarische Ökonomie soll von Solidarity 4 All mit Starthilfe, Know how, Beratung und Kapital gefördert werden

Die Produktionsgenossenschaften spielen eine wichtige Rolle. Auch der Aufbau von Exportstrukturen durch die europaweiten Solidaritätsnetze ist eine Möglichkeit. Es gibt bereits einen Austausch mit Projekten in Belgien. Weitere Schritte wurden auf dem SOLIKON2015 in Berlin unternommen.

Von der letzten Regierung, in der Lafantzanis (führend in der Linken Plattform in Syriza) noch eine Rolle gespielt hat, gab es die Ankündigung solche Prozesse zu unterstützen. Eine Genossenschaft zu gründen ist rechtlich nicht sehr kompliziert. vio.me hat das vorgemacht (vio.me setzt sich allerdings weiterhin juristisch mit den Alteigentümern auseinander). Viele Genossenschaften sind allerdings Pleite gegangen. Nach unseren Erfahrungen mit selbstverwalteter Betrieben in Deutschland haben wir den Eindruck, dass hier in Griechenland bei null angefangen wird. Allerdings herrscht hier eine völlig andere politische und ökonomische Situation.

90 Porzent der Projekte sind völlig unabhängig von Syriza. Bei den selbstorganisierten Projekten haben auch viele Syriza Mitglieder mitgemacht. Für sie beginnt jetzt ein Prozess der Neuorientierung. Es genügt ja nicht Spenden für hungernde Kinder einzusammeln, sondern es muss ja auch die Frage gestellt werden, wer für den Hunger verantwortlich ist. Sonst landet man in der Rolle eines Wohltätigkeitsvereins. Die weitere Entwicklung wird alle zwingen Stellung zu beziehen. Die Diskussion beginnt bei der Bewegung gegen Zwangsversteigerungen von Wohnungen, die durch eine neues Gesetz auf Druck der Troika möglich werden.

Solidarity 4 All hat keine politische Festlegung. Der Schwerpunkt liegt auf der praktischen solidarischen Selbsthilfe. Die Grundlage ist jedoch die Ursachen zu kennen und gegen eine Politik zu sein, die für diese Verhältnisse verantwortlich ist.

Die Solidaritätsbewegung ist nicht abhängig von den politischen Begegnungen und eine Spaltung wie in der Politik ist nicht zwingend. Wenn sie derzeit keinen politischen Ausdruck mehr hat, muss dieser sich neu entwickeln. Bei vielen ist der Eindruck vorherrschend eine historische Chance verpasst zu haben. Bereits 12 Stunden nach dem überwältigenden Referendum kam die Entscheidung zur Kehrtwende. Grund dafür ist, die Abhängigkeit zur Politik der EU als alternativlos zu betrachten. Tragisch ist die Einschätzung, Syriza werde das geforderte Memorandum weniger schmerzhaft umsetzen (können). Das größte Versäumnis von Syriza in den letzten zwei Jahren war, die Bevölkerung nicht auf diese Auseinandersetzung vorzubereiten. Dabei hat das Volk schon seit 2010 den Kern des Problems erfasst, dass nämlich die europäische Politik durch und durch vom deutschen Kapital bestimmt wird. Das hat die Linke nicht erfasst. Eine weitere große Enttäuschung ist, dass die europäische Linke wie Podemos, aber auch Negri und andere dem Kurs von Syriza zustimmt und im sozialdemokratischen Fahrwasser landet . Die Rechte profitiert europaweit von der Angst der Linken .

Foto: Giovanni Lo Curto Gespräch mit Christos und Georgia von Solidarity 4 All über Perspektiven der Solidaritätsbewegung nach dem 3. Memorandum und nach den Wahlen

Foto: Giovanni Lo Curto
Gespräch mit Christos und Georgia von Solidarity 4 All über Perspektiven der Solidaritätsbewegung nach dem 3. Memorandum und nach den Wahlen

Die Wahlbeteiligung in Griechenland ist von vorher 63,6 auf jetzt 55 Prozent gesunken. Und der „Wahlsieger“ Syriza hat über 300000 Stimmen verloren. Zu den 46 Prozent Nichtwählern müssen ja noch die 6 Prozent gerechnet werden, deren Stimme nicht im Parlament vertreten ist.

Welche Schlüsse sind aus den griechischen Erfahrungen zu ziehen?

Tsipras hatte bei den Wählern immer noch den Bonus, dass er mit dem korrupten politischen System aufräumen würde. Die (radikale) Linke, auch Antarsya und die KKE, zielen immer nur auf die finanzielle Seite. Es dürfen nicht nur die einzelnen Aspekte betrachtet werden, sondern sie muss auch die Stimmung erfassen: Der (Grund)Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital drückt sich auch im Widerspruch zwischen Volk und politischem System aus. Die letzten 6 Jahre waren eine große Schule. Die politische und die soziale Bewegung zusammen zu bringen war der große Erfolg. Jetzt fällt der politische Druck auf die sozialen Bewegungen zurück.

Politik muss im öffentlichen Raum stattfinden, an dem das Volk sich beteiligen kann.

Hans

 

Der Wahlabend in Athen

20. September 2015, Athen

^AEC568AEA031B17CF0B0737B2C3B356A5D1E6F1DFC70216DC3^pimgpsh_thumbnail_win_distrAthen ist wie leergefegt. Die Griechen sind zur Wahl in ihre Geburtsorte gefahren. Es gilt als irrwitzig schwierig sich hier umzumelden. Da es keine polizeiliche Meldepflicht gibt, versuchen es viele gar nicht erst. Es gibt darüber hinaus keine Briefwahl. Wer wählen möchte, muss am Wahltag in den Ort fahren, in dem er registriert ist. Die Wahl zwischen dem „Nai“ – dem griechischen „Ja“ zum Memorandum und einem anderen „Nai“ zum Memorandum, führte zu einer sehr geringen Wahlbeteiligung.

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Ein Teil unserer Gruppe beschließt die Wahl in einer benachbarten Athener Hamburg Sankt Pauli Fankneipe zu schauen. Es ist viel Platz, es gibt draußen Bildschirme, die die Wahl übertragen. Es laufen die ersten Prognosen über den Bildschirm, noch liegt Syriza bei etwa 22 Prozent. Ein deutlicher Unterschied zu den etwa 35 Prozent. Sie bekommen deutlich mehr Stimmen, als in den Prognosen angenommen wird, erreichen aber auch nicht die absolute Mehrheit.

Wir gehen Richtung Syntagma, wo sich Syriza feiert. Im Gegensatz zur Wahl im Januar sind es lediglich 200 bis 300 Menschen, die zur Wahlparty gekommen sind. Unter den Gästen sind eine Reihe italienischer Genossen. Sie feiern zu modernen Fassungen der Lieder, wie „bella ciao“ und „bandiera rossa“ von der Band „Modena City Ramblers“. Sie gehören zur europäischen Partei „L’Altra Europa con Tsipras“ – Ein anderes Europa mit Tsipras. Antonis ist Mitglied der Jugend von Syriza, er will nicht lange aufgehalten werden: „Ich will jetzt feiern! Wir werden auf jeden Fall weiter kämpfen, um die Austerität zu stoppen.“

Insgesamt ist die Stimmung an diesem Wahlabend in Athen verhalten. Keine Partei kann viele Gäste anziehen. Auf dem Syntagma Platz, auf dem die Nea Demokratia ihr Zelt aufgebaut hat, entsteht der Eindruck, dass mehr internationale Presse vor Ort ist als Wähler. Bei der PASOK (Panellinio Sosialistiko Kinima) , die 2009 noch selbst die Regierung stellte, sitzen lediglich 5 Leute im Zelt.

Doch auch bei der neu gegründeten linken „Volkseinheit“ (Laiki Enotita) ist die Stimmung verhalten. Sie haben die erforderlichen drei Prozent nicht erreicht, um ins Parlament einzuziehen. Sie geben sich dennoch kämpferisch, da sie lediglich 27 Tage Zeit hatten, um mit ihrer Partei den Wahlkampf zu machen. Sie bleiben beim „Nein“ zum Memorandum.

Ulrike K.