Donnerstag, 17. September, Besuch bei der Nachbarschaftsinitiative Perama

Solidarity for Greece

Foto: Giovanni Lo Curto

Von einem Wahlkampf ist in Perama, einem Vorort von Piräus im Großraum Athen kaum etwas zu sehen. Nirgends hängen Wahlplakate. Ein kleiner Stand von Syriza steht etwas verloren auf einem Platz im Stadtteil. Hier leben etwa 25.000 Menschen. Perama ist heute ein Ort mit einer hohen Arbeitslosigkeit, die noch deutlich über dem griechischen Durchschnitt liegt.

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Es liegt etwa eine Stunde entfernt vom Stadtzentrum Athen. Als wir mit dem Bus dort ankommen und seiner engen Hitze entfliehen können, sind alle froh noch ein wenig laufen zu können. Doch kurz darauf bleiben die ersten stehen, da sie trotz ihres dritten Besuchs den Weg vergessen haben. „Hat irgend jemand die genaue Adresse dabei?“, Manfred telefoniert inzwischen mit Babis, ein Passant bemüht sich ebenfalls uns den Weg zu erklären. Der Empfang ist entsprechen herzlich und belustigt, weil wir den Weg nicht mehr wussten. Nach einem kurzen Austausch unter denjenigen, die bereits mehrere Male hier waren, versammeln sich alle im Raum. Regina aus Hamburg, Sankt Georg steht auf und beginnt mit einer kleinen Rede: „Ihr kennt alle Rolf. Er hatte in diesem Jahr einen runden Geburtstag.“ Alle hören gespannt zu. „Vor seinem Geburtstag sagte er uns, dass er in diesem Jahr keine Geschenke wolle. Er feierte dann im Schauspielhaus Hamburg“ So langsam macht sich Verwirrung auf den Gesichtern unserer Gastgeber breit. Sie wissen nicht, dass sich Rolf zu seinem Geburtstag eine Solidaritätsfeier für die Nachbarschaftsinitiative Perama gewünscht hat. Nach einigen weiteren Erläuterungen kommt Regina zum Kern ihrer kleinen Ansprache: „ Auf der Geburtstagsfeier von Rolf spendeten etwa 1.100 Gäste 7.163,64 Euro.“

Klatschen, lachen, ein wenig Ungläubigkeit ist auch dabei. Regina übergibt den Umschlag an Babis. Er bedankt sich im Namen aller: „Das ist Sauerstoff für uns, damit können wir viele Monate weitermachen und durchhalten. Wir freuen uns wirklich sehr über diese Spende. Wir danken euch.“ Jetzt meldet Carsten sich zu Wort: „Auch wir müssen euch danken, dafür dass ihr uns zeigt, wie man kämpft. Und da wir jetzt an dem Punkt sind, dass wir uns ständig gegenseitig danken, können wir es einfach mal lassen mit der Danksagerei, Solidarität bedeutet schließlich gegenseitige Unterstützung.“

Dieser kleine Beitrag ist der Anstoß zur gemeinsamen Debatte. Bei der Nachbarschaftsinitiative in Perama gehen die Meinungen in Bezug auf Syriza auseinander. Die Enttäuschung darüber, das Tzipras das Memorandum unterschrieben hat ist deutlich. Mit der Wahl Syrizas im Januar hofften sie auf ein Ende der Sparpolitik der Troika. Sie hofften auf eine Wirtschaftspolitik, die ihnen Arbeit und Leben zurückgibt. Die Situation ist für sie unverändert.

Elli ist 47 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und den drei erwachsenen Kindern hier. Reich waren sie auch vor der Krise nicht. Ihr Mann Apostolis arbeitete hier als Fahrer, Elli als Verkäuferin. Sie ist jetzt arbeitslos und ihr Mann verdient deutlich weniger, als vor der Krise. Den Kredit für ihre Wohnung können sie nicht mehr aufbringen. „Wir können die Raten für unsere Wohnung nicht mehr bezahlen. Strom und Wasser sind abgestellt.“ erzählt Elli. Offen sprechen sie über ihr Einkommen. Ihr Mann verdiene heute 800 Euro im Monat, die Raten für die Wohnung betrügen 500 Euro. Auch ohne die Raten kann keine fünfköpfige Familie davon leben. So wie den Ellis Familie geht es hier vielen Menschen. Neransis ist 55, er hat gesundheitliche Probleme und bekommt deshalb eine kleine Rente. Diese ist allerdings das gesamte Familien Einkommen. Naransis erzählt: „Ich habe früher in Stuttgart gearbeitet. Ohne meine gesundheitlichen Probleme würde ich wieder zurück gehen.“ Auch Boula muss sich und ihre beiden erwachsenen Kinder von ihrer Rente ernähren. Egal wen man hier fragt, die Lebenssituationen ähneln sich.

Sie werden weiterkämpfen. Sie klatschen und lachen, als wir das neue Transparent auspacken: „Gegen die kapitalistischen Raubzüge aus Berlin und Brüssel – grenzenlose Solidarität“

Ulrike