Keerfa: Wie Antira und Antifa zusammen gehen können

Athen, Dienstag, 22.09.2015

KEERFA Foto: Giovanni Lo Curto

Petros Konstantopoulos, Koordinator von Keerfa
Foto: Giovanni Lo Curto

Um 15.30 Uhr macht sich eine kleine Gruppe von uns auf den Weg, um Keerfa, die „Bewegung gegen Rassismus und faschistische Bedrohung“ kennenzulernen. Wir sind gespannt, mehr über Hintergründe und Organisierung der  antirassistischen und antifaschistischen Szene in Athen und Griechenland zu erfahren. Einige aus unserer Reisegruppe hatten auch schon am Rande der Gedenkdemonstration für Pavlos Fissas am 18. September erste Gelegenheit für einen Informationsaustausch mit Antifa- und Antira-Gruppen.

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Auf Umwegen durch die Athener Altstadt kommen wir reichlich verschwitzt in dem verwinkelten Büro von Keerfa an, wo wir von Petros Konstantopoulos, dem Koordinator von Keerfa, herzlich begrüßt werden. Petros ist für Antarsia auch im Stadtrat und im Integrationsrat für Flüchtlinge von Athen.

Das Gespräch beginnt mit einer ausführlichen Vorstellungsrunde und
Carsten übergibt dabei auch unser Gastgeschenk – Partisan_innen-Poster aus Berlin.

Keerfa wurde 2009 als Zusammenschluss mehrerer Initiativen gegründet – hier laufen verschiedenste Kämpfe der letzten 20 Jahre zusammen und werden weitergeführt. Einige der zentralen Forderungen des Bündnisses sind:

  • Öffnung der Grenzen,
  • Staatsbürgerschaft für die Kinder von Migrant_innen,
  • volle politische, soziale und wirtschaftliche Rechte für Migrant_innen und Flüchtlinge,
  • das uneingeschränkte Recht auf Asyl.

Zu den Grundprinzipien von Keerfa zählt die Orientierung an den
Methoden des zivilen Ungehorsams, erläutert Petros.

Seit seiner Gründung führt das Bündnis gemeinsam mit migrantischen Organisationen einen Kampf gegen die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“, dabei stellen sie sich den Faschist_innen sowohl auf der Straße, in den Nachbarschaften als auch in den Institutionen und im Parlament entgegen. Kein Übergriff der Faschist_innen, keine Kundgebung oder Demonstration der Goldenen Morgenröte soll unbeantwortet bleiben. Mit dem Einzug ins Parlament 2012 versuchte die Goldenen Morgenröte verstärkt, sich in den Nachbarschaften zu etablieren, unterstützt von der Nea Demokratia und mit Rückendeckung von Teilen der Polizeibehörden. Die Forderung nach einem Verbot faschistischer Parteien hält Petros heute jedoch für den falschen Weg, um die faschistische Ideologie eindämmen zu können.

Im weitesten Sinne leistet Keerfa zudem Antirepressions-Arbeit. Das Bündnis unterstützt Betroffene rassistischer und faschistischer Gewalt, erteilt Rechtsberatung, vermittelt Anwältinnen und Anwälte, dokumentiert Übergriffe und begleitet die Betroffenen bei der Anzeigenerstattung bei der Polizei. Durch die Dokumentierung und Veröffentlichung von faschistischen Übergriffen und der Untätigkeit der Polizei, die Angriffe zu verfolgen, sieht sich Keerfa nun selbst mit Strafanzeigen wegen Beleidigung des Staates konfrontiert.

Zur Bedrohung durch die Goldene Morgenröte erzählt uns Petros noch, dass, nachdem die Partei 2010 ins Athener Stadtparlament und 2012 ins Nationalparlament einzog, besonders 2013 viele Aktionen und Angriffe der Faschist_innen folgten, mit denen sie ihren Machtzuwachs demonstrieren wollten. Die bekannteste darunter war die Ermordung von Pavlos Fissas, die eine breite Mobilisierung auslöste, die weit über das linksorientierte Spektrum und die antifa-/antira-Szene hinausging und erstmals in großer Zahl auch Migrant_innen-Gruppen einschloss. Aber schon im Januar 2013, nach der Ermordung eines 27-jährigen Mannes aus Pakistan, gingen in Athen 20.000 Menschen auf die Straße, um gegen die faschistische Gewalt zu protestieren. Der Sarg des Ermordeten wurde vor dem Rathaus in Athen aufgebahrt und es wurde Geld gesammelt, um den Sarg nach Pakistan überführen zu können. Durch die Mobilisierungen seit 2013 konnte die faschistische Szene geschwächt werden – das Wahlergebnis der Goldenen Morgenröte lag bei der Wahl vom 20.09.2015 „nur noch“ bei 7%.

Foto: Giovanni Lo Curto

Petros Konstantopoulos, Koordinator von Keerfa antwortet die Fragen von Christina.
Foto: Giovanni Lo Curto

Organisierung von Keerfa

Keerfa ist in 55 Komitees mit circa 3.000-3.500 Leuten über Griechenland verteilt organisiert. Das Bündnis arbeitet dabei mit verschiedensten anderen Organisationen, zum Beispiel Gewerkschaften und LGTBI-Gruppen zusammen und kann so teilweise viel mehr Leute mobilisieren. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Lehrer_innen- und Ärzt_innen-Gewerkschaften hat dazu geführt, dass illegalisierte Kinder Zugang zu Gesundheitsversorgung und Schulen bekommen haben.

Ein wichtiges Aktionsfeld von Keerfa ist zudem die Flüchtlings-Unterstützung. Keerfa sammelt Spenden und Nahrungsmittel, berät Geflüchtete rechtlich, unterstützt Streikaktionen der Geflüchteten und die politischen Forderungen nach einem Ende der Lagerunterbringung und das Recht auf Asyl sowie Bewegungsfreiheit.

Zu Ende unseres Besuches werden wir zu zwei internationalen Treffen in Athen eingeladen, die für den 10./11.Oktober und den 21.03.2016 geplant sind. Andi übergibt 500 Euro Spendengelder.

Beeindruckt von der Bandbreite der Themen und Aktionsfelder der Bewegung verabschieden wir uns von Petros.

Weitere Infos unter www.antiracismfacism.org.

(Christina)