Steki Metanaston

Foto: Giovanni Lo Curto

Foto: Giovanni Lo Curto

Thessaloniki, Donnerstag, 24.09.15

Wir haben heute in Thessaloniki das „Steki Metanaston“ besucht. Das ist ein Projekt, das von unterschiedlichen Gruppen genutzt und von ihnen selbst verwaltet, organisiert und finanziert wird.

Wir sprachen mit Jannis Papadopoulos von der antirassistischen Initiative von Thessaloniki.

Das Zentrum wird hauptsächlich von der antirassistischen Initiative genutzt, die auch die Idomeni-Aktionen gestartet hat. Idomeni ist ein Dorf an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, durch das die Geflüchteten auf ihrem Weg nach Norden kommen. Dort herrschen unerträgliche Zustände. Die Menschen standen bei Wind und Wetter im Freien; das Zentrum hat zusammen mit der solidarischen Klinik dort u. a. Regenjacken und -schirme verteilt.

Jannis Papadopoulos und Brian Janßen. Foto: Giovanni Lo Curto

Jannis Papadopoulos und Brian E. Janßen.
Foto: Giovanni Lo Curto

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Es treffen sich dort noch einige LGBT-Gruppen; und eine Schule, die Nachhilfe in vielen Fächern sowie Griechisch-Unterricht für Migrant_innen gibt, hat dort ihre Räume.

Sie kochen gemeinsam und essen auch dort, jedes Wochenende. Von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr wird gekocht, von 14 bis 16 Uhr das Essen ausgegeben. Am Anfang kamen 30, jetzt kommen jedes Mal 120 bis 150 Leute, sonntags bis zu 200. Einmal kochten sie 580 Portionen an einem Wochenende, aber da waren auch alle Kapazitäten erschöpft. Ihr Ziel ist es auch, die Gäste mit einzubinden, zu motivieren, sich aktiv einzubringen, und sie waren damit auch schon erfolgreich.

Sie erhalten Spenden vom Großmarkt und von Lebensmittelläden, sammeln Lebensmittel. Außerdem haben sie einen Garten in Perka und versuchen sich im Selbstanbau von Gemüse (Urban Gardening). Sie konnten bereits eigene Bohnen ernten.

Salz und Öl müssen von Spendengeldern gekauft werden, da oft einfach nicht daran gedacht wird, das zu spenden. Das Zentrum gibt einen Kalender heraus, den sie gegen Spende verkaufen.

Sie verwalten das Zentrum selbst; jeden 2. Dienstag im Monat findet eine Vollversammlung statt, auf der die Entscheidungen getroffen werden. Im Winter zeigen sie Filme, meistens Low-Budget.

Sie fühlen sich durch Tsipras verraten und verkauft. Ausgerechnet an dem Tag, an dem das jährliche antifaschistische Festival stattfinden sollte, hat dieser das Memorandum unterschrieben. Sie haben daraufhin das Festival verschoben; es soll jetzt erst Mitte Oktober stattfinden.

Wir fragten nach dem griechischen Asylverfahren: Es gibt nur ein einziges Büro in Athen, in dem man ganze sieben Anträge pro Woche stellen kann. Die Wartezeit beträgt 6 Monate.

Die Migrationsgesetze, die das griechische Parlament unter der Syriza-Regierung verabschiedet hat, sind schlimmer als die bisherigen:

Wer eingebürgert werden will, muss nachweisen, dass seine/ihre Eltern fünf Jahre vor und fünf Jahre nach der Geburt in Griechenland gearbeitet haben! Wenn da nur ein paar Tage fehlen, wird der Antrag abgelehnt, so dass viele, obwohl sie in Griechenland geboren und aufgewachsen sind, nicht die griechische Staatsangehörigkeit erhalten.

Die Ex-Migrationsministerin kam aus sozialen Bewegungen, konnte aber nichts erreichen.

Die griechische Schiffsgesellschaft ANEK-Lines hat ein Schiff für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, um diese von den Inseln nach Piräus zu fahren, „damit der Tourismus nicht leidet“. Das Ticket kostet normalerweise 45 Euro, aber die Geflüchteten mussten 60 Euro bezahlen.

Seit 2010 ist nichts mehr normal. Die Geflüchteten müssen auf den Inseln z. T. 5 Euro bezahlen, um ihr Handy oder Smartphone aufladen oder um sich auf einen Stuhl setzen zu dürfen.

Eigentlich wäre es Aufgabe des Staates bzw. des UNHCR (Füchtlingshilfswerk der UNO), die Geflüchteten zu versorgen, aber wenn sich Gruppen wie die antirassistische Initiative und viele freiwillige Helfer_innen nicht darum kümmern würden, wären viele Flüchtlinge verhungert und verdurstet.

So hat beispielsweise eine 72-Jährige Sachen für die Flüchtlinge abgegeben. Sie hatte 50 Jahre lang Nea Dimokratia und Pasok gewählt und kam jetzt zu dem Schluss, dass das nichts nützt, sondern dass man selbst etwas machen, sich selbst um die Probleme kümmern muss.

Sie erhalten im Steki jeden Tag um die 100 Anrufe/Anfragen danach, was man machen, wie man sie unterstützen kann. Die Solidaritätswelle in Griechenland ist enorm.

Zur Rolle der Kirche: In der orthodoxen Kirche gibt es viele Faschisten; die Kirche kümmert sich gar nicht um die Geflüchteten (obwohl sie sehr reich ist!). Sie hatten angefragt, ob man nicht zumindest bei schlechtem Wetter die Kirchen für die Geflüchteten öffnen könne. Sie erhielten als Antwort, die würden die Kirchen beschmutzen. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber es sind einige wenige innerhalb der orthodoxen Kirche, die sich für Geflüchtete einsetzen.

Wenn noch mehr kommen, dann wissen sie auch nicht weiter („Gnade uns Gott!“). Staatliche Unterstützung gibt es gar nicht, die Gemeinde von Thessaloniki hat kein Geld.

Die Geflüchteten in Lagern unterzubringen, bringt gar nichts. Denn was hilft es einem Flüchtling, wenn er sechs Monate dort bleibt, ohne dass er weiß, ob sein Antrag genehmigt wird? Und wohin soll er denn gehen, wenn sein Antrag abgelehnt wird, wohin soll er denn zurückgeschickt werden?

Daher werden die Geflüchteten alles versuchen, um weiterzukommen, auf jede erdenkliche Weise. Kroatien hat die Grenze geschlossen. Das heißt, dass sich alle an der Grenze sammeln werden; die Frage ist, was dann passiert, ob sie gewaltsam aufgehalten werden. Wir hoffen, dass kein Blut fließen wird.

Das Steki Metanaston ist jeden Abend von 19 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. Freitags wird Musik gespielt zur Unterstützung der Geflüchteten.

Foto: Giovanni Lo Curto

Foto: Giovanni Lo Curto

Sie befinden sich an einem historischen Ort: vor dem Gebäude wurde 1963 Grigoris Lambrakis, ein griechischer Abgeordneter der Vereinigung der Demokratischen Linken EDA, der sich für Frieden engagierte, von Faschisten ermordet. Neben dem Gebäude befindet sich ein Denkmal, das daran erinnert.

Website: http://socialcenter.espivblogs.net

(Brian)