Montag, 21.09.2015, Perama, bei Piräus/Athen
Perama ist ein Werftarbeiter-Stadtteil westlich des grüßten griechischen Hafens von Piraeus. Dort arbeiteten früher 10.000 Menschen auf den Werften, heute sind es nur etwa 100. Auch diese Arbeiter_innen haben keine festen Arbeitsverträge. In den vergangenen Jahrzehnten war Perama eine Hochburg der kommunistischen KKE. Sie war in den Werften gut verankert. Heute ist in Perama Syriza die stärkste Kraft, fast gleich stark ist allerdings die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“.
Im Anschluss an eine gewaltsam aufgelöste Versammlung auf dem Syntagmaplatz 2011 gründeten die beteiligten Aktivisten aus dem Stadtteil Perama die Initiative zur offenen Volksversammlung. An den Volksversammlungen, die aktuell an jedem Montag in Perama stattfinden, nehmen zwischen 30 und 50 Menschen, manchmal sogar 100 bis 150 der 25.000 Einwohner teil. Bei diesen Volksversammlungen geht es um Eigenaktivitäten der Betroffenen, um in der Krise Verbesserungen ihrer Lebenssituation zu erreichen. Es gibt in Griechenland ein großes Netz ähnlicher Strukturen. Auf den Volksversammlungen darf jeder sprechen,, sofern es sich nicht um rassistische, faschistische oder sexistische Aeusserungen handelt. Jeder hat ein gleiches Rederecht, unabhängig von der Häufigkeit der Teilnahme – alle sind in den Volksversammlungen gleichberechtigt.
Basis für eine funktionierende Demokratie aus Sicht der Aktiven:
- freie Kommunikation/Redefreiheit
- Existenz von Parteien mit Programmen und Ideen
- Existenz mündiger Bürger, die selbst denken und handeln
Beispiele politischer Aktionen/Forderungen:
1. Durch die prekäre Lage der EinwohnerInnen wurde bei säumigen
Zahlern vom Energieanbieter der Strom abgestellt. Dabei spielte eine Rolle, dass die griechische Regierung bei der Neueinführung einer Grundstückssteuer sich des Energieanbieters als Inkassounternehmen bediente.
2. In einer kollektiven Aktion wurde die Sperre von Stromzufuhr von den Betroffenen überbrückt und die Menschen erhielten wieder Energielieferungen.
3. Viele EinwohnerInnen haben Eigentum (Eigentumswohnungen), deren Hypotheken sie abbezahlen. Das ist ihnen bei langer Arbeitslosigkeit nicht möglich. Es kommt vor, dass Wohnungen mit einem Wert von bsw. 80.000 Euro für 20.000 Euro zwangsversteigert werden. Durch verschiedene Aktionen wurde Druck auf das Gericht ausgeübt, mit dem Ergebnis, dass Zwangsversteigerungen eingestellt wurden.
4. Kostenloser ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) im Großraum Athen
5. Strom und Wasser muss Allgemeingut bleiben – örtliche Versorger müssen in staatlicher Hand sein.
6. Stromschulden werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auf bezahlbare Raten eingesteuert.
7. Die Volksversammlung legte einen eigenen Gemüsegarten zur Selbstverwaltung durch die Gemeinde an.
8. Es gibt ein Netz fuer Lebensmittelhilfen, das durch Privatspenden und nicht verkaufte Lebensmittel aus Geschäften gespeist wird.
9. Sachleistungen an betroffene Bürger, keine Geldhilfe – dies soll motivieren, aktiv mitzumachen und nicht nur Hilfe zu empfangen.
10. Gestellung von Schulmaterial für die Kinder
(Petra und Jan)