Das Vorwort für das Reisetagebuch für unsere Griechenlandreise 2014

Der Ausgang der Parlamentswahlen in Griechenland und die Basisbewegungen

Bereits während der vorletzten Solidaritätsreise im September 2013 charakterisierten viele unserer GesprächsparterInnen die „Regierung Samaras als das schlimmste Regime nach dem Sturz der Obristen-Diktatur 1974“. Unser Besuch im September letzten Jahres stand im Zeichen der Hoffnungen und Erwartungen auf ein frühzeitiges Ende der verhassten Regierungskoalition aus ND und PASOK. Diese Hoffnungen gingen in Erfüllung. Bei den vorgezogenen Neuwahlen am 25. Januar 2014 wurde SYRIZA mit Abstand die stärkste Partei. Die faschistische „Goldene Morgenröte“ zog zwar wieder mit über 6 % ins Parlament ein, ihr weiterer Aufstieg konnte allerdings zunächst gebremst werden. Dennoch, sie wurde zur drittstärksten Partei im Parlament und wartet auf ein Scheitern der neuen Regierung, wovon sie sich einen gewaltigen Auftrieb erhofft.

Während sich in Mittel- und Nordeuropa die politischen Kräfteverhältnisse nach rechts verschieben, gab es in Griechenland einen kräftigen Linksruck. Dies ist in erster Linie den zahlreichen Initiativen der Selbsthilfe und den Aktivitäten der Basisgewerkschaften zu verdanken. Ohne die gelebte Solidarität, beispielsweise in den sozialen Gesundheitszentren, ohne die vielfältigen Formen des Widerstandes wären sicherlich mehr verarmte und enttäuschte WählerInnen den faschistischen Demagogen auf den Leim gegangen. SYRIZA verdankt seinen Wahlerfolg wesentlich dem unermüdlichen Einsatz der unzähligen AktivistInnen aus dem sozialen und politischen Widerstand im ganzen Lande. Einige von ihnen durften wir während unserer Solidaritätsbesuche kennen lernen.

Über ihr Engagement und ihre Projekte wollen wir mit diesem Reisebericht informieren.

Mit der Bildung der neuen Regierung werden die vielfältigen Initiativen der sozialen Selbst- und Nachbarschaftshilfe und des politischen Widerstandes nicht überflüssig. Ganz im Gegenteil – ihre Möglichkeiten der politischen und außerparlamentarischen Mobilisierung entscheiden mit darüber, ob SYRIZA dem Druck seiner äußeren und inneren Feinde standhalten kann. Dieser Druck ist enorm, wie die Reaktionen auf die ersten Beschlüsse der neuen Regierung zeigen. Die EU-Administration in Brüssel und die große Koalition in Berlin beharren auf der Erfüllung der Abmachungen, die man der alten Samaras-Regierung so reibungslos diktieren konnte. Sie drohen dem verschuldeten Land mit ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Erpressungsinstrumenten. Zeitgleich werden wir Zeuge einer medialen Hetzkampagne gegen die unbotmäßige Regierung. Das griechische Beispiel soll auf keinen Fall Schule machen.

Mit den ersten Maßnahmen versucht die durch SYRIZA geführte Regierung die ärgsten Folgen der sozialen und demokratischen Demontage zu beseitigen. Die Tarifautonomie, d.h. das Tarifvertragswesen, wird wieder hergestellt. Die Privatisierung zahlreicher öffentlicher Betriebe und Leistungen wurde ausgesetzt. Die Gesundheitsversorgung für alle, auch für die drei Millionen aus jeglicher Sozialversicherung gedrängten Menschen, soll wieder in Kraft treten. Der Mindestlohn und die Minirenten werden angehoben. Dies ist ein glatter Bruch mit der Austeritätspolitik, wie sie den Ländern der EU auf Betreiben der Bundesregierung verordnet wurde.

Die Konstrukteure und Nutznießer der Austeritätspolitik – in Europa als auch in Griechenland selbst – werden alles daran setzen, dem linken Aufbruch ein Ende zu bereiten bevor er in Spanien, Portugal, Italien oder anderen Staaten der EU Nachahmung findet. Die herrschende Klasse in Griechenland, an deren Spitze ein gutes Dutzend Familien stehen (Reedereien und Bauunternehmen), kontrolliert über ihre privaten Medien nicht nur die Presselandschaft. Ihre engen Beziehungen in den Staatsapparat – in Justiz, Polizei, Militär, Geheimdienst, als auch in die Steuerbehörden – wird sie nutzen, um ihre bisherigen Privilegien zu sichern. Bisher waren diese Familien entweder von Steuerzahlungen befreit, wie beispielsweise die Reeder, oder sie blieben von der Steuerfahndung verschont. Die Privilegien, die Steuerhinterziehung und die Korruption will die neue Regierung bekämpfen. Die griechische Oligarchie wird alles daran setzen, eine Regierung, die ihre Macht beschneidet, möglichst rasch zu beseitigen.

Im Rahmen der Troika gehören vor allem die Bundesregierung und die Mainstream-Medien in Deutschland zu den Scharfmachern im Kampf gegen den Regierungswechsel in Griechenland. Mit dieser Broschüre wollen wir der Desinformation und Hetze der Medien und den Erpressungsversuchen der Bundesregierung entgegentreten. Denn, ob dieser erste hoffnungsvolle Aufbruch seit Jahrzehnten Erfolg haben wird, entscheidet sich nicht allein in Griechenland, sondern auch bei uns in Deutschland.

Change Greece – Change Europe – Chance4All!